Seelze - Haushalt

  • Veröffentlicht am: 22. Februar 2011 - 20:06

Die Haushaltsrede 2011 der Fraktion Bündnis90/Die Grünen im Rat.

Der Text:


Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender,

sehr geehrter Herr Bürgermeister,

sehr geehrte Damen und Herren,


wenn wir wie heute einmal im Jahr im Rat über den Haushalt diskutieren, dann haben wir 181 Seiten Produktbuch und 580 Seiten Produkthaushalt 2011 sowie verschiedene Beschlussvorlagen für die Produkte der verschiedenen Fachbereiche 1 - 4, verschiedene Beschlussvorlagen für Änderungen, die Investitionsplanung 2010 -2014, die Fortschreibung des Haushaltssicherungskonzeptes etc, etc durchgearbeitet. Dazu kommen ua die Zielvereinbarung für die Bedarfszuweisung 2010 und die Finanzplanung für die EDV 2010 - 2014. Zusammen komme ich auf rund 1.000 Blatt Papier, die uns als Ratsmitglieder, die nur in Ihrer Freizeit tätig sind, zugemutet werden.

Diese Mengen Papier wollen wir einsparen. Es ist doch nicht einzusehen, warum nicht in der Zukunft auf elektronischem Wege uns alle diese Informationen zugehen können. Deshalb haben wir Grüne einen Prüfauftrag formuliert, ob es nicht möglich ist in der Zukunft, alle Informationen den Ratsherren per email zur Verfügung zu stellen. Das spart Kosten und schont darüber hinaus die Umwelt erheblich und hilft der KlimaBilanz von Seelze. Sie haben das in der letzten Woche auch in der Leine Zeitung gelesen.

Beim Haushalt dieses Jahres kommt auch noch die Einführung der Doppik hinzu, die auch für uns eine Umstellung ist. Trotzdem - zu Anfang ein Lob an die Verwaltung, die die beiden uns vorliegenden dicken Schwarten und die dazugehörenden Beschlussvorlagen gut nachvollziehbar dargestellt hat.


Der Haushalt zeigt uns aber auch, dass die Finanzsituation unserer Stadt sich nicht als positiv darstellt sondern das Jahr 2011 mit einem wie man im Bund sagen würde Minuswachstum von 12, 5 Mio EUR abschließt.


Das Dilemma unserer Stadt ist aber nicht allein diese Zahl. Ziehen wir von dem 12,5 Mio Minuswachstum die freiwilligen Leistungen der Stadt ab, die sich auf rund 3,5 Mio EUR belaufen, dann verbleibt eine Unterdeckung von rund 9 Mio EUR. Dies heißt nichts anderes, dass die Einnahmesituation sehr schlecht ist und die Kosten der der Stadt auferlegten Pflichtaufgaben um 9 Mio EUR höher ist als die Einnahmen. Dies liegt auch an der schlecht sprudelnden Gewerbesteuer. Das hat ua damit etwas zu tun, dass in den Ratsperioden zuvor der Rat mit seiner zum Teil absoluten Mehrheit der SPD es nicht geschafft hat, die richtigen Vorgaben zu schaffen, um neues Gewerbe nach Seelze zu holen, dagegen in den 90er Jahren auf Seelze-Süd gesetzt hat, was uns inzwischen knapp 30 Mio EUR Verbindlichkeiten eingebracht hat. Aber auch der Gesetzgeber Bund und Land haben immer wieder Ausgaben auf die Kommunen übertragen, ohne für entsprechende Einnahmen der Kommunen zu sorgen. Und so hat die Vorsitzende des deutschen Städtetages, die Frankfurter Oberbürgermeisterin von der CDU Frau Petra Roth in der letzten Woche festgestellt, dass sich die Verbindlichkeiten der Kommunen in der Bundesrepublik im Laufe des Jahres 2010 um insgesamt 5 Milliarden EUR erhöht haben, an denen Seelze mit rund 10 Mio EUR beteiligt ist. Es ist also auch so, dass die Kommunen als letzter in der politischen Skala immer das auszubaden haben, was von oben abgeschoben wird. Dagegen gibt es leider kein Recht der Kommunen, dagegen Einspruch einzulegen. Wenn sich nichts ändert, wenn die Gewerbesteuer und insbesondere die steuerliche Ausstattung der Kommunen sich in den nächsten 2 - 3 Jahren nicht ändert, dann ist bald der finanzielle Kollaps da.


Trotzdem dürfen wir die Köpfe nicht in den Sand setzen und müssen mit unseren Ideen aus dem finanziell Möglichen das Machbare herausholen.


Bevor ich daher jetzt zum Schluss komme, lassen Sie mich noch ein paar wichtige Punkte erwähnen, die wir weiterhin konzentriert und konsequent bearbeiten werden:


1. Kinderkrippen, Kindergärten, Kinderhorte.

Die Öffnungszeiten der Kindergärten dürfen nicht von denen der Kinderkrippen abweichen. Daher ist das erste Ziel, dass alle Eltern die Möglichkeit haben, Ihre Kinder bis 14 Uhr in den Kindergarten zu bringen. Das muss auch bei den schlechten finanziellen Rahmenbedingungen der Stadt möglich sein. Dabei ist unsere Meinung, dass eigentlich keine Kindergartengebühr erhoben werden dürfte. Das Angebot, einen Kindergarten zu haben, ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, also durch Steuern zu finanzieren. Diese Voraussetzung ist aber seitens der Bundespolitik nicht gegeben. Das Land finanziert nur einen Rechtsanspruch bis 12 Uhr. Nur die Leistungserweiterung über diesen gesetzlichen Anspruch hinaus - und damit Verbesserung des Angebots - rechtfertigt überhaupt erstmals nach 10 Jahren, eine Gebührenerhöhung durchzuführen. Denn gerecht wäre es auch nicht, das heute verbesserte Angebot später voll von den Kindern über weitere Schulden bezahlen zu lassen. Die Gebührenerhöhung tragen wir daher aus der Gesamtverantwortung für die Finanzen der Stadt mit.


2. Stadtmarketing

Das Produkt 0252 ist noch mit Tourismus bezeichnet, es umfasst aber das Stadtmarketing. Hier sind rund 35.000 EUR eingesetzt, also 1 EUR pro Einwohner. Das ist im Verhältnis zu anderen umliegenden Gemeinden nichts, andere Gemeinden haben teileweise einen 10 fach höheren Betrag eingesetzt im Verhältnis zur Anzahl der Bürger. Wir haben gerade da im letzten Jahr mit der Obentraut-Kampagne sehr viel erreicht, landesweit sogar einen Preis gewonnen, das kann nicht von einem Tag zum andern weggewischt werden.


3. Gesamtschulen, Ganztagsunterricht an Schulen.

Zwar haben sich die Eltern nicht gegen eine Gesamtschule entschieden, nur wir erreichen die vom Land Niedersachsen willkürlich geforderte 5 Zügigkeit nicht, aber der Nachmittagsunterricht an den Schulen nimmt immer mehr Gestalt an. Wir unterstützen einen Mensabau, damit die Kinder auch mittags etwas zu essen haben. Wir unterstützen auch den Nachmittagsunterricht und unsere Schulen in unseren Orten, so auch die Grundschule in Almhorst. Wir wollen erreichen, dass die Kinder dort weiter zur Schule gehen können und möchten die Seelzer Kinder aus Kirchwehren für die Grundschule in Almhorst gewinnen. Der Hintergrund ist einfach: Sobald ein Kind an eine Schule außerhalb von Seelze geht, ist es für die Stadt verloren, es hat dort seinen Freundeskreis und wird immer versuchen, mit diesen Kindern auch weiterhin zusammen zur Schule zu gehen. Können wir das Kind aber in Seelze behalten, so können wir es auch bis zur mittleren Reife oder zum Abitur beschulen. Wir behalten es in Seelze und sparen teures Schulgeld, das wir sonst an Nachbarkommunen zahlen müssten, wenn das Kind dort zur Schule geht.


4. Dorfgemeinschaftshäuser Produkt 2231

Alle Dorfgemeinschaftshäuser sind inzwischen privatisiert, bis auf das in Lohnde. Dazu gibt es einen Ratsbeschluss durch die BVNr 254 a bereits aus dem Jahr 2007 (!), 36.400 EUR zu sparen. Bis heute ist dies nicht gelungen. Es kann nicht sein, dass in einem Ortsteil eine solche Übergabe nicht funktioniert und die Stadt dieses mit finanziert. Deshalb haben wir einen Antrag dazu eingebracht, ab 01.07.2011 einen Sperrvermerk über Reinigungs-Kosten von 10.000 EUR dort zu machen, wenn bis dahin in Lohnde keine Einigkeit bei den Gesprächen mit der Stadt erzielt worden ist.


5. Bürgerbüro Produkt 3111

Das Bürgerbüro ist ein Dienstleister, also das, was die Stadt sein muss. Deshalb müssen die Öffnungszeiten so, wie sie sind, also auch Samstags erhalten bleiben, denn das ist Dienstleistung, wie der Bürger sie versteht. Eine Einsparung gerade auf diesem Gebiet ist kontraproduktiv und würde genau die falschen Signale setzen. Wir sind froh, dass Seelze als Dienstleister es schafft, seinen Bürgern diesen Service zu bieten, den der Bürger von einer lebendigen Stadt auch erwartet.


6. Kommunale Zusammenarbeit

Hier ist die Stadt aufgerufen, im Gespräch mit anderen Gemeinden Aufgaben gemeinsam zu erledigen und dadurch Kosten zu sparen. Hierbei geht es um Arbeiten, die im sog. Backstage-Bereich durchgeführt werden können. Dabei denke ich zB an alle Anträge im Sozialbereich, die auf Grund bundesgesetzlicher Regelungen überall gleich sind. Von unserer Stadt erwarte ich als moderner Dienstleiter hier mehr Ideen und Gespräche auch mit anderen Kommunen, wohl wissend, dass dann natürlich auch Kompetenzen abgegeben werden müssen.


7. Bürgerhaushalt

Vom Haushalt 2012 an wird es auf unseren Antrag hin einen Bürgerhaushalt geben, also eine Beteiligung der Bürger am Haushalt der Stadt, also eine Möglichkeit für die Bürger, bei den Ausgaben mit zu entscheiden. Auch dies ist ein Beitrag zur Kosteneinsparung. Aber vor allem zur Transparenz und Einbindung der Seelzer Bürger in finanzielle Entscheidungen, welcher dann zu höherer Akzeptanz führen kann.


Ich könnte hier noch weitere Beispiele spezieller grüner Haushaltspolitik nennen, es soll aber wegen der vorgerückten Zeit hier und heute ausreichen.


[u]Dem Haushalt wird die Fraktion der Grünen zustimmen.[/u]


Für die Fraktion:

Knut Werner

Fraktionsvorsitzender