Seelze - Hühnermast

  • Veröffentlicht am: 17. August 2010 - 19:08

Die Fraktion der Grünen hat in Seelze den Antrag auf Einbindung gestellt, wenn ein Antrag auf Zulassung einer Mastanlage gestellt wird.

Die Verwaltung hat dazu nun eine begleitende aber unverständliche Informations-Vorlage geschrieben.


Diese Einlassungen der Verwaltung veranlassen uns, Informationen vom Grünen Frühstück über das Thema "Hühnermast" zusammen gefasst, weiter zu geben. Diese sollen Aufklärung sowohl der Verwaltung, den Parteien als auch allen seelzer Bürgern geben.


1. Ställe


Es gibt verschiedenen Größen von Stellen. Die Errichter beziehen sich bei den Größen auf Richtlinien bei der Genehmigung. Da ab 40.000 Hühner andere Regeln gelten, soll z.B. in Dedensen ein Stall mit 39.900 Plätzen errichtet werden, in Holtensen dagegen zwei Ställe mit ungefähr gleicher Größe!

Eine Mastanlage kostet rund 500.000 Euro.

Geschaffen wird eine halber Arbeitsplatz, also 4 Stunden Arbeit pro Tag.

Der Feinstaubausstoß beträgt rund 4 Kilo pro Tag.

Eine Geruchsentwicklung von 50 Tagen im Jahr durch einen Stall ist hinzunehmen.

Dazu kommt noch die Geruchsbelästigung der Gülle bei Lagerung, Transport und beim Ausbringen auf die Felder.

Problematisch bei den Betrieben ist häufig die Wasserver- und Entsorgung.


2. Betriebsablauf


Der Partnerbetrieb liefert die Küken an.

Der Partnerbetrieb liefert auch das Futter an.

Die tägliche Arbeit des Landwirts besteht darin, täglich die gestorbenen Tiere herauszusortieren!

Nach 35 Tagen werden die ersten Hühner, die bereits 1,6 kg wiegen, vom Partnerbetrieb zur Schlachtung aussortiert und mitgenommen.

Nach 42 Tagen werden die restlichen Hühner, die nun auch 1,6 kg wiegen, auch zur Schlachtung abgeholt.

Dann hat der Landwirt 3 Tage Zeit, um seinen Stall zu reinigen und zu desinfizieren.

Der Partnerbetrieb ist immer dieselbe Firma.

Diese Firma und der Landwirt werden dann auch die Verkehrbelastung in den nahegelegenen Ortschaften ausmachen.


3. Haltungsvorschriften


Nehmen Sie mal ein DIN A 4 Blatt zur Hand und falten daraus 3 gleiche Teile.

Früher hatten die Hühner 20x20cm² Platz, das sind 2 Teile Ihres Blattes. Das war Tierquälerei!

Jetzt wurde die Fläche auf 20x30cm² vergrößert, das sind alle 3 Teile des Blattes.

39kg Fleisch darf auf einem Quadratmeter gehalten werden, das sind 25 Tiere.

Wenn die Tiere größer werden, müssen deshalb nach 35 Tagen die ersten heraussortiert werden.

Die Tiere stehen die gesamte Zeit der Mast in ihrem eigenen Kot, was natürlich auch zu Krankheiten führt.

Entsprechende Medikamente könnten einfach über die Fütterungsanlagen zugeführt werden.


4. Schlachtanlage


Der Schlachthof in Wietze, den die Firma Rothkötter baut, hat ein Investitionsvolumen von 60 Millionen Euro.

Der Gesamtbetrag der Subventionen einschließlich Infrastruktur beträgt ca. 9 Millionen Euro.

In dieser Schlachtanlage sollen pro Jahr 135.000.000 Tiere (in Worten einhundertfünfunddreißig Millionen) geschlachtet werden.

Hierzu sind, das ist recht einfach zu errechnen, 400 bis 450 Ställe in der näheren Umgebung notwendig, um den Schlachthof auszulasten.

Für den Anfangsbetrieb möchte Rothkötter 120 Betriebe anwerben, nach aktuellem Kenntnisstand sind erst 30 Betriebe angeworben.


5. Genehmigungsverfahren


Für Landwirte, die auf eigenen Flächen 50% des benötigten Futters anbauen und einen entsprechenden Abstand zu Häusern und Wald einhalten, können Anlagen auf landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht untersagt werden.

Der Einbau von Filtern kann vorgeschrieben sein, jedoch die Überwachung, ob der teure Betrieb der Filter tatsächlich stattfindet, wird schwierig.

Die Ortsräte und auch die Stadträte sind in das Bauverfahren nicht eingebunden!

Die Kommunen werden nur im Zuge der Anhörung der Träger öffentlicher Belange gehört.

Natürlich werden auch Windrichtungen im Genehmigungsverfahren eine Berücksichtigung finden, - aber wenn rund um Holtensen 3 Mastanlagen stehen ist es egal, aus welcher Richtung der Wind kommt.

Deshalb ist auch egal, in welchem Stadtteil von Seelze oder in der Region eine Mastanlage steht, denn der Feinstaub weht immer in irgendeine Richtung.

Die Problematik der Feinstaubbelastung sieht man sehr schön an einem Beispiel:

3 Kilometer im Umkreis der Schlachtanlage Wietze darf kein Maststall gebaut werden, denn der Schlachthof benötigt saubere Luft für den Betrieb...


6. Marktsituation


Derzeit gibt es eine Marktsättigung von 106%.

Das heißt, es wird in Deutschland mehr Hühnerfleisch produziert als konsumiert.

Die Folge ist ein Überangebot und niedrige Preise.

Wenn der Schlachthof in Wietze realisiert ist, wird die Marktsättigung 115% betragen.

Das wird zu einem weiteren Preisverfall führen.

Um den Markt einigermaßen stabil zu halten, subventioniert die Bundesregierung und die EU den Export von Hühnerfleisch.

So erhalten z.B. Kreuzfahrtschiffe und Fluggesellschaften Subventionen für außerhalb der EU verzehrtes Fleisch - die Lufthansa rund 700.000 Euro im Jahr.

Die Folge der Exportsubventionen ist aber auch, dass die Landwirtschaft in Ländern in Afrika zusammenbricht, weil die subventionierten Importe aus Deutschland günstiger sind als die Produktion vor Ort.

Natürlich sind die Geflügelpreise derzeit in den Supermärkten günstig, eine Verbesserung der Mast würde auch eine Verteuerung der Produkte mit sich bringen.


7. Anbieter


Es gibt drei Große Anbieter in Deutschland. Marktführer ist die Firma Wiesenhof.

Ferner sind die Firmen Stolle und in den letzten Jahren auch Rothkötter stark am Markt.

Preisbestimmend ist im wesentlichen die Firma Wiesenhof.

Durch das Überangebot herrscht ein Verdrängungswettbewerb.


8. Wirtschaftliche Betrachtung


Die Betreiber der Mastbetriebe kann man in drei Gruppen teilen.

1/3 der Betriebe macht Gewinn, 1/3 läuft mittelmäßig, 1/3 macht Verlust.

In der Regel schließt der betreibende Landwirt einen 2 oder 5 Jahresvertrag mit dem "Partner" ab.

Dieser diktiert jedoch die Abnahmepreise!

Sollte der Mastbetrieb zu viele Verluste einfahren, übernimmt z.B. die Firma Rothkötter die bereits laufenden Anlagen der Landwirte und der Landwirt ist nur noch Dienstleister für den täglichen Durchgang.

Natürlich suchen die Landwirte gerade in der heutigen Zeit nach neuen Standbeinen neben der klassischen Tierhaltung oder dem Ackerbau. Aber ob die in der Wirtschaftlichkeitsberechnung der Konzerne vorgestellten technischen Zahlen wirklich erreicht werden können und ob die angegeben Verkaufspreise nicht einem derzeitigen "Hoch" entsprechen, wird auch der Landwirt erst später erfahren.


9. Entwicklung in anderen Regionen


Im Emsland, den Landkreisen Vechta und Cloppenburg ist es derzeit schwer, neue Mastställe zu bauen, da die Verwaltungen und vor allem die Bürger dem inzwischen kritisch gegenüber stehen.

In den vergangenen Jahren explodierte die Zahl der Mastbetriebe in den eben beschriebenen Gebieten förmlich.

Dort sind seit der Entstehung der Mastanlagen die Atemwegserkrankungen der Kinder deutlich gestiegen, zudem ist die Nitratbelastung der Böden durch das Ausbringen des Hühnermist oberhalb der Grenzwerte.


10. Entwicklung in unserer Region


Da hier die Bodenbelastung mit Nitrat noch niedrig ist, bietet es sich wohl an das östliche Niedersachsen zu erschließen.

Zu befürchten ist eine ähnliche explosionsartige Entwicklung der Anzahl von Mastanlagen. Hinzu kommt, dass die Region und auch die Landkreise keine Erfahrung in Betrieb und der Genehmigung solcher Anlagen haben und wahrscheinlich die selben Fehler gemacht werden wie im Emsland und in Cloppenburg.


11. Abschließende Betrachtung


Es gibt verschiedene Betrachtungsweisen der Hühnermastanlagen.

Ich sehe nahezu keine Gründe für die Form der Mast zu sein.

Trotz der höheren Preise muss man sich doch fragen, ob dafür eine schleichende Gesundheitsgefährdung und Umweltverschmutzung hinzunehmen ist.

Angeblich sinken Grundstückspreise durch Mastanlagen in der Nähe um 10 bis 15%.

Die Geruchsbelästigung wird erheblich zunehmen, egal ob vom Mastbetrieb oder von den Feldern, sie wird deutlich zunehmen.

Hinzu kommt, dass die Form der Tierhaltung mehr als fragwürdig ist, wenn ein Huhn soviel Platz hat, wie ein DIN A 4 Blatt groß ist.

Auf der einen Seite wird viel Geld in Entwicklungshilfe investiert, damit arme Länder eine wirtschaftliche Grundlage bekommen, auf der anderen Seite wird im Inland gezielt eine Überproduktion gefördert, die zu verbilligten Exporten führt. Das ist kontraproduktiv!

Ich sehe auch für die Landwirte ungewisse wirtschaftliche Aussichten, denn die Marktentwicklung kann man nur erahnen. Schwierig kann es dann werden, wenn man eine Finanzierung für 500.000 Euro monatlich bedienen muss.

Dieser Text ist ein Zitat von Frank Chmielewski (SPD), der das Grüne Frühstück ebenfalls nutzte, um sein Wissen auf den neuesten Stand zu bringen.

Bei den Grünen in Seelze haben sich verschiedene Bürger aus Dedensen gemeldet, die eine Bürgerinitiative gründen wollen. Für Interessierte stellen wir gern den Kontakt her!!