Seelze - Haushalt

  • Veröffentlicht am: 26. November 2008 - 13:06

pic_1929028_2_full.jpg

Das Lehrbuch für den Bürgermeister.

Hier der Text der Rede des Fraktionsvorsitzenden Bündnis90/ Die Grünen zum Haushalt 2009.

Haushaltsrede 2009 vom 27.11.2009

Sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender,

sehr geehrter Herr Bürgermeister,

meine Damen und Herren,

Vor rund 2000 Jahren sagte der Apostel Paulus: Sei fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, beharrlich im Gebet.

Sie werden fragen, was hat das mit einer Haushaltsrede zutun? Ich bin mir sicher, sie werden es merken.

Schon die 1. Seite des Produktbuches lässt erahnen, es geht Seelze nicht gut, es verbleibt ein Minus von 5,5 Mio für 2009. 5,5 Mio dh die Kosten sind nur in Höhe von 90 % gedeckt. Auf Seite 78 im Produkt 1214 Haushalt und Vermögen ist nichts von Vermögen zu spüren aber umso mehr von Verbindlichkeiten. Zunächst fällt bei den Vergleichszahlen, den IST-Zahlen für 2007 auf, dass es da gar keine Schulden gab, es steht überall eine Null. Wir alle wissen es besser. Der Plan für 2009 ergibt rund 122 Mio Schulden. Die Zahlen sind zT falsch, da der Schuldenstand von Seelze-Süd mit nur 26,9 Mio angegeben wird, aber sich aus der BV Nr. 387 v ergibt, dass die Schulden rund 29 Mio betragen. Es kommt hinzu die Erhöhung der Regionsumlage, die die Stadt weitere rund 500.000,00 Euro kosten wird.

Die pro Kopf-Verschuldung jedes Seelzer Bürgers beläuft sich daher auf rund 3.600,00 Euro, dabei habe ich das Wellnessbad noch nicht dazugerechnet. Der Schnitt in Niedersachsen liegt bei 2.673,00 Euro, nur in Hessen, NRW, Saarland, Meck-Pomm und Sachsen-Anhalt ist es im Schnitt noch schlechter als in Seelze. Was sagte Paulus? Sei geduldig in Trübsal.

Fehler im PB sind noch an anderer Stelle zu erkennen und so muss die Frage erlaubt sein, ob zB nicht auf einzelne Kennzahlen verzichtet werden kann. So zB S. 44 Wirtschaftsförderung. Vorgesehen sind 16 Betriebsbesuche im ganzen Jahr, 3 Veranstaltungen und keine Betriebskontakte. Da ich die Arbeit von Frau Kaemmerer kenne und schätze, weiß ich auch, dass diese Zahlen natürlich völliger Unsinn sind und trotzdem erhalten wir auf unsere Anfrage noch die Anwort, die ich wörtlich zitiere; "Die Wirtschaftsförderung strebt an, durch 16 Betriebsbesuche und 3 Veranstaltungen zu den Gewerbebetrieben in Seelze intensive Kontakte zu erlangen". Reicht denn das aus? Natürlich nicht, also lasse man auch diese wirklich haarsträubenden Kennzahlen.

Auf S. 45 Pressearbeit wird von 350 zu erstellenden Presseberichten ausgegangen, von denen, man höre und staune 450, also 100 mehr als erstellt, in Printmedien veröffentlicht werden sollen. Und was ist mit Rundfunk und Fernsehen?

Auf Seite 97 Kindergarten Dieselweg zeigt sich, dass Seelze tatsächlich nicht rechnen kann. Dort ergibt 25 + 25 + 30 = 50, nach Adam Riese sind dies aber 80.

Auf S. 130 Städtepartnerschaften fällt für 2008 auf, das dort gar nichts gelaufen ist, weder in Grand Couronne, Mosina noch in Schkeuditz. Jeder weiß, dass das nicht stimmt.

Nun aber zu einem weiteren Fehler-Highlight, nämlich S. 147, Standesamt. 4, ich wiederhole, 4 Geburten sind für das Jahr 2009 geplant. 4 Geburten waren auch für 2008 geplant und in 2007 sollen auch nur 4 Geburten in Seelze beurkundet worden sei. Das kann nicht sein bei zB 130 Eheschließungen in 2007.

Was zeigt uns das, meine Damen und Herren? Schon beim schnellen Durchblättern fallen einige Ungereimtheiten auf. Und allein schon aus diesem Grunde sind wir als Ratsherren geradezu verpflichtet, die Produkte im einzelnen abzuklopfen und uns dazu Gedanken zu machen.

Ich will die Aufzählung nicht fortsetzen, aber ich will damit deutlich machen, dass die Verwaltung entweder die Kennzahlen ändert oder sie ganz weglässt, denn die falschen Zahlen können dazu führen, dass manch ein Ratsherr meinen könnte, was machen die da eigentlich.

Nun komme ich zu den eigentlichen Zahlen, die die Verwaltung im Produktbuch uns verkauft. Nachdem wir 3 Grünen Ratsmitglieder das Produktbuch durchgearbeitet hatten, mussten wir erst einmal nein mehrfach schlucken und tief durchatmen, um das negative Zahlenwerk sacken zu lassen. Konnten wir noch, wie der Apostel Paulus sagt, fröhlich in Hoffnung sein oder sollten wir lieber beharrlich im Gebet werden. Aber durch beten allein wird ein Produktbuch nicht besser. So schickten wir einen über 20 Fragen betreffenden Fragenkatalog an die Stadt, der auch kurzfristig - und dafür danken wir der Verwaltung - beantwortet wurde. Wir erhielten auch Zahlen zu den freiwilligen Leistungen der Stadt, also den Leistungen, zu denen eine Stadt nicht verpflichtet ist, die aber ein Leben in der Stadt besser machen sollen, in dem die Bürger durch städtische Zuschüsse von den eigentlichen Kosten, die ein Produkt kosten müsste, entlastet werden. Ich habe hier leider nur die Zahlen für die Jahre 2005 und 2006 erhalten. Für 2006 betrug die Zahl rund 2 Mio. Das heißt, selbst wenn die freiwilligen Leistungen auf Null gefahren würden, dann kommt für das Jahr 2009 noch ein Minus von 2,5 Mio und durch die Erhöhung der Regionsumlage eines von rund 3 Mio heraus. Aber es ist unrealistisch, die freiwilligen Leistungen auf Null zu fahren.

Die Doppik wird in Kürze eingeführt, also auch eine Aufstellung des Seelzer Vermögens. Werden wir dann himmelhoch jauchzen oder zu Tode betrübt sein? Es ist zu hinterfragen, was Seelze an Vermögen hat. Ein paar Rathäuser und Straßen und Wege. Die erste Berechnung durch unabhängige Gutachter bei der Stadt Hannover hat nicht zu Freudensausbrüchen geführt, man war erstaunt, wie gering Straßen, Wege und Plätze bewertet worden sind. Das wird in Seelze nicht anders sein.

Also müssen wir die Einnahmen erhöhen. Wir haben auf S. 83 beim Produkt Steuern und Abgaben die Summe der Grundsteuern A + B, Gewerbesteuer, Hundesteuer und Vergnügungssteuer mit 8,7 Mio angegeben. Können wir diese Steuern erheblich erhöhen, wie die SPD es bei den letzten Bedarfzuweisungen schon bei der Gewerbesteuer wollte? Mir liegt eine Aufstellung der Steuersätze der Umlandgemeinden von vor. Da liegen wir nicht so günstig, dass wir da noch erheblichen Spielraum hätten. Es wäre ja auch eine Erhöhung um ca 60 %. Also völlig illusorisch.

Wir müssen also Einnahmen erhöhen ohne Kostensteigerung. Wie geht das werden Sie fragen. Ganz einfach. Schließen wir Lücken in unseren Dörfern und runden sie ab. Dadurch ziehen mehr Menschen nach Seelze. Wenn es sein muss, machen wir einen Vertrag mit einem Entwickler vor Ort, der der Stadt auch noch Geld bringt, keinen Vertrag mit einer Firma, die irgendwo sitzt. Neue große Baugebiete können wir nicht ausweisen, weil die demografische Entwicklung zu einem Minus-Bevölkerungswachstum führt und wir in neuen Baugebieten ua auch Kindergärten etc vorhalten müssen, die wir in den einzelnen Orten bereits haben.

Arbeiten wir weiter daran, dass wir Gewerbeansiedlungen bekommen und damit auch neue Arbeitsplätze. Das zieht auch Menschen in unsere Stadt. Wir haben Gewerbegebiete ohne Ende, ca 60.000 qm, aber werden sie nicht los. Stärken wir unser Citymarketing und unsere Wirtschaftsförderung und werben wir Firmen an, die dann auch andere Firmen nach sich ziehen. Wir dürfen Gewerbeansiedlungswillige nicht ausgrenzen, wir müssen sie heranziehen. Da hat die Stadt sich in letzter Zeit sehr negativ verhalten, was ich am Beispiel Wild gern festmache. Dass die Firma nach wir vor sich noch ansiedeln will, grenzt fast an ein Wunder. Wunstorf ist nicht weit entfernt und würde wahrscheinlich mit Kusshand zugreifen. Da macht man übrigens schon seit Jahren kein Minus sondern führt Schulden zurück.

Machen wir etwas aus unserer Lage am Wasser, am Kanal, der soll nicht nur durch Seelze fließen sondern auch Geld in die Kasse spülen. Wir wissen, dass Frau Kaemmerer hier die richtige Frau am richtigen Platz ist, neue Gewerbetreibende an die Stadt zu locken. Nicht nur Gewerbesteuern, auch neue Arbeitsplätze, denn auch neue Einwohner erhöhen die Einnahmesituation der Stadt, diese geben mehr Geld aus, das in Seelze bleibt und die einheimischen Gewerbetreibenden fördert.

Die neuen Einwohner bringen auch Kinder mit, die Kindergärten und Schulen besuchen. Sorgen wir dafür, dass diese Kinder auch irgendwo in Seelze in den Kindergarten und in die Schule gehen können. Kinder, die andere als Seelzer Kindergärten benutzen, haben auch in den Kindergärten ihre Freunde und werden dann in der Regel auch da eingeschult, wo die Freunde eingeschult werden. Seelze zahlt jedes Jahr ½ Mio an Gastschulgeld an die Umlandgemeinden. Diese Summe ist ein Einsparpotential.

Weitere Einsparpotentiale sind die Dorfgemeinschaftshäuser etc. Laut Produktbuch S. 124 Gemeinschaftsanlagen sind die Bürgerhäuser geführt und dort ist der Betriebsaufwand erheblich gestiegen, obwohl durch die Übergabe an Private Kosten gespart werden sollten. Hier muss kritisch hinterfragt werden insbesondere bei der Übertragung der Dorfgemeinschaftshäuser, die noch nicht übergeben worden sind.

Im Fachbereich 2 ist in vielen Produktbuchnummern zB 21111 - 21117 der Betriebsaufwand gestiegen auf Grund der angepassten Mietzahlungen an die Gebäudewirtschaft. Übersetzt heißt dies folgendes: Die Gebäudewirtschaft soll ohne Verlust arbeiten, so wird es vorgegeben, dh die Kosten, die der Gebäudewirtschaft entstehen, werden umgelegt auf die einzelnen Produkte und führen zu Erhöhungen. Das bedeutet aber, dass die Kosten der Gebäudewirtschaft zu hoch sind, denn wären sie es nicht, dann hätten die Kosten nicht erhöht werden müssen. Wir sehen daher in der Gebäudewirtschaft durchaus Einsparpotentiale.

Wir sehen weiter Einsparmöglichkeiten in einer geringeren Anzahl von Sitzungen aller Art, Ratssitzungen und Ausschusssitzungen. Einige der letzten Ausschusssitzungen, an denen ich teilgenommen habe, hätten, wenn sie nicht in die Länge gezogen worden wären, nur eine ¼ Stunde gedauert, die Tagesordnungspunkte hätten auch in einer anderen Sitzung mit behandelt werden können. Das gilt sowohl für den AZD als auch für den AOS. Gleichzeitig müssen wir auch bei den Ortsräten weiter sparen.

Wir müssen weiter Anstrengungen unternehmen, mit anderen Kommunen zusammenzuarbeiten, um Kosten zu sparen, wir müssen versuchen, sog. Backsstagearbeiten outzucoursen, wenn es Zweck hat und Kosten spart.

Es gibt sie noch, die Möglichkeiten, die finanzielle Seite der Stadt zu verbessern. Sie, Herr Bürgermeister Schallhorn wollen spätestens 2013 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Wir sind bereit, Ihnen dabei zu helfen, auch nach der nächsten Wahl des Rates 2011 mit einer dann vom Bürger gewählten personell stärkeren Ratsfraktion der Grünen. Aber es wäre gut, wenn Sie schon jetzt ein Signal dafür setzen würden. Dies könnte sich zB im Haushaltssicherungskonzept wieder finden. Dort hätten Sie schon für die nächsten Jahre ein sinkendes Defizit darstellen können und ich meine auch müssen und nicht wie in der BV 410 auch für 2012 noch ein Defizit von 5,5 Mio. Denn dann glaubt Ihnen bald keiner mehr, dass Sie spätestens 2013 einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen wollen.

Ich komme zurück auf Paulus: Seien wir fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal und beharrlich im Gebet. Da dies aber nicht ausreicht, habe ich für Sie Herr Schallhorn einen kleinen Wegweiser mitgebracht sozusagen als kleines Hilfsmittel zur Sanierung unserer Stadt. Es trägt den Titel: 1 - 2 - 3 schuldenfrei und stammt vom Bürgermeister von Langenfeld. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Knut Werner