Die Haushaltsrede: Seelze - Haushalt

  • Veröffentlicht am: 25. März 2021 - 18:18

Haushaltsrede für das Jahr 2021

 

Herr Ratsvorsitzender, Herr Bürgermeister,  liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Damen und Herren,

vor knapp 15 Jahren tagte der Rat der Stadt schon einmal hier in der Sporthalle.

Es war kurz nach der Kommunalwahl 2006 und es war meine, so glaube ich, erste oder zweite Ratssitzung.

Es ging um das Wellnessbad.

Es waren mehrere Hundert Zuschauer da und wir saßen ziemlich verloren in der großen Halle vor den vielen Zuschauern.

Heute füllen wir die Halle coronabedingt aus und werden den Haushalt für dieses Jahr beschließen, sehr spät für Seelzer Verhältnisse, aber der Situation angepasst.

Meine Damen und Herren, wussten sie eigentlich, dass laut WWF auf Grund des Klimawandels 70 Tierarten jeden Tag auf der Welt aussterben? Also rund 2.000 pro Monat bzw 24.000 im Jahr.

Wann haben sie nach einer langen Autofahrt zuletzt auf Ihrer Windschutzscheibe Reste von Insekten entfernen müssen? Das liegt schon ein paar Jahre zurück.

Fragen sie sich dann nicht auch, wo sind die Insekten hin? Und denken sie dann nicht auch, was sollen die Vögel noch zu fressen bekommen, wenn keine Insekten mehr da sind?

Da denkt doch jeder, da müssen wir etwas tun, um das weiter zu verhindern.

Aber das Gegenteil passiert in Seelze. Da werden Bäume in Harenberg einfach durch die Stadt abgesägt, weil sich Wespen erdreisten, sich an den heruntergefallenen Zierbirnen zu erfreuen, um sie zu fressen. Und dann wird auch noch per Pressemitteilung der Stadt kommuniziert, dass die Bäume, die ca 8 Meter hoch und kerngesund waren, auf Grund von Beschwerden einiger Anwohner entfernt werden mussten, ohne Willy Raabe, den Naturschutzbeauftragten vorher zu fragen.

Der hätte sicher sowieso Nein gesagt und die Zeit drohte wegzulaufen, weil am 28.02. der letzte Sägetag war.

Wenn Sie jetzt fragen, was das mit dem Haushalt der Stadt zu tun hat, dann haben Sie das Problem Klimawandel, Klimaschutz, Artensterben, Insektensterben noch nicht verstanden.

Und wenn Sie dann in den Haushalt der Stadt schauen, dann wissen Sie, auch die Stadt ist an dem Problem Klimaschutz nicht wirklich dran.

Wir haben zwar ein Klimaschutzprogramm, aber fortgeschrieben ist es nicht und Berichte über Maßnahmen gibt es nicht.

Sicher können wir hier in Seelze die Welt nicht retten, aber wenn jeder so denkt, geht die Welt in Kürze unter.

Mir, meine Damen und Herren, könnte das ja vielleicht egal sein, ich bin 74 Jahre alt, habe keine Kinder, zwar am 2. April meinen ersten Impftermin, aber meine Zeit ist absehbar. Bei den meisten von Ihnen ist das anders.

In der letzten Woche bin ich durch Velber gefahren, weil wir als Grüne von Anwohnern um Unterstützung gebeten wurden wegen eines kleinen Baufeldes am Ende der Straße Am Wehrgraben, in dem es genau um diese Problematik ging:

Versiegelung eines Ackers für rund 10 Einfamilienhäuser

          - direkt in der Nähe des Landschaftsschutzgebietes,

-  direkt an einer sehr stark frequentierten Gegend von Spaziergängern, Radfahrern, Kindern aus dem Kindergarten etc.

Ja. Bebauung ist dort möglich, aber ist es genau dort erforderlich?

Dann bin ich zurück durch Velber gefahren und habe so viele Schottergärten dort vorgefunden, wie wohl in keinem anderen Ort in Seelze – auf älter bebauten Grundstücken und bei wohl allen Neubau-Grundstücken.

 

Ja, und dort wohnen doch auch Sie Herr Dr. Papsch und wollen Bürgermeister werden. Tut sich Ihr Grundstück als besonders grün hervor? Wie wäre es für Sie und auch Sie Herr Klein als Ortsbürgermeister: Sie könnten doch als Beispiel vorangehen und damit vorbildhaft gegen Schottergärten Werbung machen. Ein Tipp: Nehmen sie doch am Tag der offenen Gärten teil.

Es war daher unser Anliegen in den Jahren der Ratsperiode, dem Klima zu helfen. Und so haben wir auch in diesem Jahr fast nur Anträge gestellt, die dem Klimaschutz dienen – aber auch immer einen wirtschaftlichen Aspekt hatten. Jetzt wird man endlich sein Handy solar auftanken können – das Auto oder Fahrrad nur auf privatem Gelände – immer noch. Aber es werden jetzt 2 oder 3 Ladesäulen endlich in Seelze errichtet. Das kann nur ein Anfang sein.

Klimaschutz kommt nicht von allein, er kostet Geld, das aber rentierlich angelegt ist. Wir wollen den Radwegeausbau fördern. Die Situation der Radwege in Seelze ist sehr schlecht, im letzten Jahr hatte ich bei meiner Haushaltsrede schon darauf hingewiesen und nichts ist passiert. Wir möchten verstärkt Photovoltaik-Anlagen auf die Dächer der öffentlichen Gebäude wie Schulen bringen und zwar jetzt und nicht - wie die Stadt Seelze das so gern macht: Erst mal totprüfen und hoffen, dass es in Vergessenheit gerät. Die Calenberger Energiegenossenschaft in Gehrden wartet nur darauf, Dächer in der Region mit Solarzellen zu bestücken. Es rechnet sich sowohl für die Stadt als auch für die Genossenschaft.

Wir wollen auch mehr Geld ausgeben für dringende energetische Sanierungen bei städtischen Gebäuden. Das führt zu Einsparungen.

Warum also zögern?

We only have one planet – Wir haben nur einen Planeten, wir haben nur eine Erde.

Denken sie daran – bei all Ihren Entscheidungen hier und privat.

Wir setzen uns für die Jugendarbeit ein, wir fordern den Bau einer Skateranlage und haben einen konkreten Ortsvorschlag gemacht. Aber: Wir wollen die Skateranlage jetzt und nicht erst in einigen Jahren, wenn die Kinder dann auswärts studieren oder arbeiten.

Wir stärken auch mit einer neuen Stelle die digitale Umstrukturierung der Verwaltung. Da kommt noch viel auf uns zu.

Den Start in die Neugestaltung der Seelzer Schullandschaft haben wir zusammen mit der SPD angestoßen. Die Um- und Neubaumaßnahmen sind in vollem Gange und werden uns noch Jahre beschäftigen und Jahrzehnte, was die aufzunehmenden Verbindlichkeiten betrifft.

Aber: Wir wissen, dass wir den eingeschlagenen Weg fortsetzen müssen und es dazu keine Alternative gibt.

Die Bildungseinrichtungen müssen weiter ausgebaut werden, auch und gerade in Corona-Zeiten. „Lesen gefährdet die Dummheit“ sollte jeder für sich verinnerlichen und unseren Kindern sollten, nein müssen gute Zukunftschancen gegeben werden. Das gilt gleichermaßen für die Kitas und bei einer weiter steigenden Bevölkerung in Seelze.

Wir Grünen haben in den letzten über 10 Jahren bei unserem sog. Grünen Frühstück das Feedback sehr vieler Menschen aus Seelze mit einer Menge von Anregungen erfahren, und auch von denen, um die sich in Seelze wenige kümmern, weil sie nicht oder noch nicht die Mehrheit sind wie zB Menschen mit Behinderungen und Radfahrer. In meiner letzten Haushaltsrede habe ich darüber berichtet.  Wir machen das Grüne Frühstück 3 - 4 mal im Jahr mit ständig wechselnden kommunalen Themen, haben fast 40 Veranstaltungen durchgeführt und haben daher seit über einem Jahrzehnt unser Ohr am Puls der Bevölkerung.

Wir kennen daher viele Wünsche und Sorgen unserer Mitbewohner in Seelze. Zu unseren Veranstaltungen kommen nämlich auch viele Menschen, die bisher den Grünen Ideen nicht zugeneigt waren.

Wir müssen daher nicht, wie Sie liebe Kolleg:innen von der CDU, zu Wahlzeiten eine sog. Bürgerumfrage starten, um Ansichten, Wünsche und Anregungen zu erfragen, um zu erfahren, wie die Menschen hier ticken: Wir wissen das nicht nur vor der Wahl.

Wir müssen endlich umdenken.

Wir müssen grundsätzlich anders denken, als vielleicht noch vor 10 Jahren:

Es geht schlicht und einfach darum:

Müssen wir eine Maßnahme wollen oder wollen wir eine Maßnahme müssen.

Also müssen wir es wollen oder wollen wir es tatsächlich müssen.

Erst wenn Sie das Richtige erkannt haben, ist die Zukunft gesichert.

Seelze muss ein Zeichen zum Klimaschutz setzen und das ist ein Wirtschaftsfaktor, der in alle Bereiche greift.

Unsere Nachbarkommune macht es uns vor. Garbsen hat sich für die Städte-Challenge „Wattbewerb“ angemeldet und will für den Ausbau von Fotovoltaikanlagen werben.

Ziel des Wettbewerbs „Wattbewerb“ ist es, als erste Kommune die Menge des solar erzeugten Stroms zu verdoppeln. Da gibt es bei unseren Schulneu- und Umbauten eine Vielzahl von Möglichkeiten. Insoweit haben wir in den letzten Tagen einen Antrag gestellt, dass sich auch Seelze daran beteiligt.

Ich möchte die Stadt dringend bitten und schließe dabei die im Rat vertretenen Parteien ausdrücklich mit ein, Ihre Zurückhaltung bei Zukunftsthemen endlich abzulegen.

Machen Sie da endlich mit! Wir brauchen dringend Konzepte, die unsere Stadt für unsere Bürger attraktiver machen.

Seelze könnte sich zu einer nachhaltigen Stadt entwickeln und das als eigenes Markenzeichen darstellen. Nur so werden wir die Zukunft meistern.

Knut Werner    25.03.2021