Seelze - Haushalt
Die Eckdaten 2011 wurden im Rat beschlossen.
Nachstehend ist zum Nachlesen die Rede des Fraktionsvorsitzenden Bündnis 90/Die Grünen Knut Werner zum Nachlesen:
Eckdaten
Sehr geehrter Herr Ratsvositzender, sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,
Die Eckdaten für das Jahr 2011 zeigen das Bild einer Stadt, die nicht erst am finanziellen Abgrund steht sondern schon auf dem Flug hinein ist.
Vergleicht man das mit der privaten Wirtschaft, dann wäre schon längst Insolvenz angemeldet worden. Der Insolvenzverwalter würde verzweifelt nach Investoren, sprich anderen Städten und Gemeinden suchen, aber keine finden, da diese ähnliche Probleme haben.
Was mir große Sorgen bereitet, ist die völlig aussichtslos scheinende Lage unserer Stadt in finanzieller Sicht.
Mir bereitet große Sorge der tiefe See der Ausgaben, die wir auf Grund von Gesetzen und anderen Verpflichtungen leisten müssen und der mäßig hohe Berg der Einnahmen, die, selbst wenn wir sie in den See schütten, den See nicht zuschütten sondern ihn nach wie vor bestehen lassen würde. Das heißt, allein die Zahlungen, die wir auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen leisten müssen, sind höher als die Einnahmen, die wir erhalten. Dabei sind die freiwilligen Leistungen noch gar nicht berücksichtigt. Diese würden den See noch weiter vertiefen.
Mir bereitet daher große Sorge das weitere Ansteigen von Verbindlichkeiten der Stadt, die die Luft zum Atmen weiter zuschnürt.
Die Stadt ist — wenn wir gegenüber unseren Bürgern ehrlich sind — und das sind wir Grünen immer — nicht in der Lage, in naher Zukunft aus dieser Situation herauszukommen.
Die in der Beschlussvorlage 680 angegebenen Zahlen können wir nur zur Kenntnis nehmen, müssen uns aber doch fragen, wie es dazu kommen konnte, dass unsere Stadt jedes Jahr ein dickes Minus macht, auch in den letzten Jahren.
Wir können die Schuld über die schlechte Lage der Stadt nicht allein bei Bund und Land suchen sondern müssen eigene Kreativität entwickeln.
Mir bereitet dabei große Sorgen die Einnahmeseite und da insbesondere die Gewerbesteuer. Diese Steuer ist in den letzten Ratsperioden nicht so forciert angegangen worden, dass sie uns nennenswert weiter hilft. Es ist nun einmal so, dass keine guten Gewerbestandorte vorgehalten werden, Standorte, bei denen zB ein Autobahnanschluss vorhanden wäre. Das ist ganz klar das Versäumnis aus den letzten Ratsperioden. Und da hatten Sie, meine Damen und Herren von der SPD hier in Seelze die politische Mehrheit und hätten Maßnahmen ergreifen müssen, damit die Gewerbesteuer sprudelt. Wir liegen im Speckgürtel der Landeshauptstadt und profitieren davon, aber nicht in der Art und Weise, wie es möglich gewesen wäre, wenn ich das einmal mit anderen Orten in unserer näheren Umgebung vergleiche. jetzt haben wir Gewerbegebiete und werden die Grundstücke nicht los.
Es bereitet mir große Sorgen, dass wir kaum in der Lage sein werden, die Attraktivität der Stadt zu erhalten und zu fördern. Wir brauchen junge Familien und wollen nicht wie Görlitz eine Seniorenschlafstadt werden. Dazu brauchen wir auch Kindergärten, -krippen und —horte. Wir können da nicht locker lassen, auch wenn wir dafür Geld in der Hand nehmen müssen und wollen. Wir sind davon überzeugt, dass eigentlich das Land für eine Abschaffung der Kindergarten-Gebühren sorgen müsste, Da damit aber offenbar nicht zu rechnen ist, müssen wir trotzdem dafür sorgen, dass die Kinderbetreuung verbessert wird. Wenn es zu einer Erhöhung des Leistungsangebotes hier in Seelze kommt, dann werden wir auch für einemoderate Anhebung der Kindergartengebühren stimmen, auch im beginnenden Wahlkampf. Von den anderen Parteien verlange ich auch insoweit Ehrlichkeit gegenüber den Mitbürgern unserer Stadt.
Wir werden auch dafür sorgen, dass die Umbaumaßnahmen im Georg-Büchner-Gymnasium zur Schaffung des Ganztagsbetriebs unter dem Stichwort Mensa durchgeführt werden und ein Ganztagsbetrieb nicht dadurch konterkariert wird, dass die Mensa dort nicht geschaffen wird.
Wir müssen auch in Lohnde dazu kommen, dass das Bürgerhaus dort nicht mehr einen großen Zuschussbedarf verschlingt.
Ich mache mir große Sorgen darüber, dass wir nicht mehr die Ausgaben leisten können, wie wir es vielleicht wollen und deshalb schlage ich vor, dass die Bürger unserer Stadt an den freiwilligen Ausgaben mit bestimmen sollen im Sinne eines Bürgerhaushaltes. Ich gehe zwar davon aus, dass die meisten von Ihnen wissen, was das ist, ein Bürgerhaushalt, aber dennoch gestatten Sie mir dazu ein paar Anmerkungen.
Ein Bürgerhaushalt soll die Beteiligung der Bürger an den freiwilligen Ausgaben sichern und damit dem Bürger nicht nur das Gefühl der Teilnahme geben sondern eine aktive Beteiligung möglich machen. Das Ziel ist, dass die Bürger sich selbst bei den Produktberatungen und den dann zu treffenden Entscheidungen wieder finden können, insbesondere deshalb, weil die finanzielle Situation der Stadt sehr schlecht ist und die Bürger durch Ihr Mitmachen einerseits die schlechte finanzielle Situation erkennen können und konkret daran beteiligt werden, ob Leistungen, die ja für sie, nämlich die Bürger von der Stadt entschieden werden, auch geleistet werden sollen und welche freiwilligen Leistungen evtll gestrichen werden sollen.
Es gibt dazu 4 Phasen, in denen dies Verfahren abläuft.
1. Phase: Die Bürger werden über die Schwerpunkte des Haushalts sowie die finanziellen und rechtlichen Rahmenbedingen informiert. Das kann zB durch die Presse geschehen.
2. Phase: Anschließend können die Bürger in einem offenen Plenum bzw in einem Bürgerforum ihre Anregungen äußern und Prioritäten bei Spar- bzw Investitionsmaßnahmen erarbeiten. Das Ergebnis ist dann eine Prioritätenliste für die Verwendung der Haushaltsmittel, die den politischen Gremien übergeben wird.
3. Phase: Es folgt die fachliche Prüfung der Vorschläge und der Beschluss des Haushaltsplanes in den politischen Gremien.
4. Phase: Die Politik gibt Rechenschaft über die Annahme bzw Ablehnung der Vorschläge der Bürger.
Nach Meinung der Bundeszentrale für politische Bildung erfordern die Zukunftsaufgaben der modernen Demokratie und die Herstellung von Legitimität politischer Entscheidungen geradezu die vertrauensvolle Zusammenarbeit von Gesellschaft, Verwaltung und Politik.
Lassen Sie uns dies schon bei den diesjährigen Haushaltsberatungen angehen, gerade auch deshalb, weil der Haushalt von der kameralen Buchhaltung auf die Doppik umgestellt wird und die Bürger auch über die Neuerungen sowieso informiert werden müssen.
In Städten wie Erlangen, Hamm, Castrop-Rauxel, Vlotho, Emsdetten, Hilden aber auch Potsdam gibt es sie bereits, die Bürgerbeteiligung und auch in Niedersachsen.
Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren Kollegen, seien wir bürgernah, verbessern wir die Akzeptanz und die Legitimation fiskalischer Maßnahmen in der Bevölkerung und beginnen wir damit jetzt.
Ich danke Ihnen.