Seelze

  • Veröffentlicht am: 28. November 2013 - 18:48

Haushalt

Haushaltsrede 2013

Herr Ratsvorsitzender,

Herr Bürgermeister,

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

Mit der Vorlage des Produktbuches und des Haushaltes der Stadt Seelze für das Jahr 2014 wird wieder deutlich, in welch prekärer finanzieller Lage unsere Stadt ist. Das Produktbuch soll geplant mit einem Defizit von rund 9 Mio enden, was die Verbindlichkeiten von rund 130 Mio auf knapp 140 Mio erhöhen wird, das bedeutet über 4.000,00 EUR Schulden pro Einwohner. Durch die Abschreibungen verringert sich darüber hinaus das Vermögen der Stadt erheblich.

Es ist absehbar, dass die Verbindlichkeiten das Vermögen im Laufe der nächsten Ratsperiode aufgezehrt haben werden und damit die Insolvenz bzw bestimmt der Sparkommissar des Landes droht.

Sie wissen, dass die Region Hannover die Haushaltssatzung jedes Jahr genehmigen muss.

Das ist bisher immer geschehen, aber: Wie lange noch?

Wie lange noch können wir der Genehmigungsbehörde noch einen Haushalt vorlegen, wenn die Stadt noch nicht einmal Vorgaben oder besser Anregungen der Genehmigungsbehörde vielleicht nicht erst nimmt, aber zumindest nicht beachtet??????

Hier verweise ich auf das Schreiben der Region Hannover vom 08.05.2012 zur Haushaltssatzung 2012. Dort heißt es, ich zitiere wörtlich: Es wird deutlich, dass die Stadt Seelze auf Dauer selbst die Pflichtaufgaben und die unbedingt notwendigen Aufgaben zur Erhaltung der vorhandenen Infrastruktur nur durch Kredite finanzieren kann. Übersetzt vom Finanzchinesisch ins Deutsche heißt dies: Seelze ist pleite.

Weiter heißt es, ich zitiere wörtlich: Die dauernde Leistungsfähigkeit der Stadt ist nicht sichergestellt.

Im Verlauf des Briefes heißt es weiter, ich zitiere wörtlich: Auf Grund der besorgniserregenden Haushaltslage der Stadt Seelze kommt dem Haushaltssicherungskonzept eine besondere Bedeutung zu.

Dann wird dazu einiges ausgeführt mit dem Ergebnis und ich zitiere wieder wörtlich: Damit entspricht das Haushaltssicherungskonzept der Stadt Seelze nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Direkt im Anschluss heißt es, ich zitiere wörtlich: In Anbetracht Ihrer Haushaltslage weise ich nachdrücklich darauf hin, dass nicht nur die Verwaltung, sondern vor allem auch der Rat der Stadt Seelze, bereit sein muss, unangenehme Entscheidungen zu treffen. Wir, Ratsdamen und

-herren sind dazu aufgerufen, unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

Es wird weiter ausgeführt, ich zitiere wörtlich: Seite 3 gekennzeichnete Absätze.

Und nun, meine Damen und Herren, insbesondere liebe Ratskolleginnen und –kollegen, Herr Schallhorn, Herr Balzer und die anwesenden Mitarbeiter der Verwaltung:

Können wir diesen – ich möchte einmal sagen – Weckruf missachten???

Die Antwort ist eindeutig Nein.

Ich bin daher froh, dass auch von der SPD ernsthafte Sparbemühungen erkennbar sind und Sparvorschläge vorliegen, im Gegensatz zur CDU, von der so gut wie nichts gekommen ist.

Die Vorschläge von Bündnis 90/Die Grünen sind im Prinzip nicht neu. Schon in meiner letzten Haushaltsrede, mit der wir ein sicher ambitioniertes neues Oberziel beantragt hatten, nämlich ab 2018 keine neuen Schulden mehr aufzunehmen, waren die Vorschläge, die jetzt als Anträge vorliegen, schon als Möglichkeiten genannt worden. Sie, meine Damen und Herren von der CDU und der SPD haben damals dieses einzige konkrete Ziel verwässert und es umgeändert in: Solider Haushalt durch solide Finanzen, eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber kein Ziel, schon gar nicht ein Oberziel.

Glauben Sie denn im Ernst, meine Damen und Herren, dass es uns leicht gefallen ist, solche Sparanträge vorzulegen?

Und dann finde ich Ihr Verhalten, Herr BM, am letzten Donnerstag in der Zusammenkunft der Seelzer Vereine mehr als unfair. Ohne jede Notwendigkeit und auch ohne jede Rückfrage aus der Versammlung haben Sie die Vereine darauf hingewiesen, dass eine Ratsfraktion beantragt hat, die Sportförderung um 10 % zu kürzen. Der Name unserer Fraktion wurde nicht genannt, weil ich anwesend war. Aber es wurde gesagt, man solle doch die Ratssitzung erst einmal abwarten, also nach dem Motto: Das wird schon nicht klappen, dafür werde ich, BM schon sorgen. Gleichzeitig wurde ein weiterer Antrag, nämlich die Medienausleihe zu schließen genannt, diesmal mit dem Namen des Bürgerforums, von denen keiner anwesend war. Nur, Herr Bürgermeister, dass Sie die Musikschule noch Mitte des Jahres schließen wollten, das haben Sie dabei geflissentlich übersehen. Das ist populistisch, Herr BM.

Wir würden auch viel lieber mit dem Füllhorn Gelder ausschütten, wenn sie nur da wären.

Aber wir sind bereit, auch unpopuläre Maßnahmen vorzuschlagen, denn das sind sie fast alle.

- Der Antrag, die Bürgerhäuser zu veräußern und damit erhebliche Kosten zu sparen, soll ja gerade das bürgerschaftliche Element im Ort stärken. Dabei ist das Ziel nicht, wie auch von Ihnen, Herr BM immer als Folge in den Raum gestellt, das Schließen der Häuser. Dabei schwebt uns vor, dass zB ein neu zu gründender oder bereits existierender Verein in dem jeweiligen Ortsteil ein Bürgerhaus günstig übernehmen sollte, als Grundstückseigentümer oder vielleicht auch als Erbbauberechtigter aber eben so, dass die Stadt aus der Verantwortung ist. Die Vereinsmitglieder entscheiden dann über die Nutzung der Immobilie allein. Uns ist klar, dass das nicht innerhalb einiger weniger Monate zum Abschluss geführt werden kann, das kann Jahre dauern. Aber man muss einen Anfang wagen.

- Der Antrag, bei der Feuerwehr einzusparen, ergibt sich schon allein aus dem Schreiben, förmlich der Aufforderung der Region. Hier ist es sehr schade, dass der Rat in seiner letzten Sitzung, unserem Antrag, eine Arbeitsgruppe einzurichten, nicht nachgekommen ist. Im Rahmen einer solchen Arbeitsgruppe hätte man ergebnisoffen diskutieren können.

Bei diesem Antrag geht es nicht zB um die Reduzierung der ehrenamtlichen Einsatzkräfte, auch nicht um die Schutzausrüstung etc, wie auch nicht um den neuen digitalen Funk, der für die nächsten Jahre geplant ist, natürlich werden wir dem zustimmen. Schließlich dienen diese Dinge der Einsatzverbesserung.

- Das Bürgerbüro in Letter ist nur mittwochs in der Woche 7,5

Stunden geöffnet. Nur 55 Kunden kommen dort monatlich hin, das

sind noch nicht einmal 2 Kunden pro Stunden. Der Zuschussbedarf

pro Einwohner liegt damit 6 – 7 mal höher als in Seelze. Auch sind

die meisten Dinge hier gar nicht abschließend zu bearbeiten oder nur im Bürgerbüro in Seelze zu regeln. Die Einwohner aller anderen Ortsteile haben seit Jahren kein Bürgerbüro mehr und zum Teil schlechtere Verbindungen als die idealen von Letter nach Seelze.

- Die Kürzung der Kulturförderung, der Bereitstellung von Freizeit- und Erholungsanlagen und der Sportförderung um jeweils 10 % trifft praktisch jeden, ist damit auch gerecht verteilt. Die Schließung der Musikschule, die Sie Herr BM wollten, hätte in der Hauptsache nur die Kinder getroffen und einige Lehrer arbeitslos gemacht, vom lernunterstützenden Aspekt einmal abgesehen.

- Die Kristalltherme sollte verkauft werden. Darüber gibt es noch keinen Ratsbeschluss, deshalb halte ich es für ratsam, hier den BM zu verpflichten, aktiv entsprechende Verhandlungen zu führen und darüber regelmäßig zu berichten, mit dem Ziel, zeitnah zu einem angemessenen Vertragsabschluss zu kommen.

- Die Abgabe der Kapellen zB an einen Verein in dem jeweiligen Ortsteil führt weiter zu einer Stärkung des ehrenamtlichen Engagements in dem jeweiligen Ortsteil. Es ist dann die Kapelle der Bürger. Im Übrigen hat sich auch der Arbeitskreis Friedhof parteiübergreifend dafür ausgesprochen.

- Die Ortsratsmittel wollen wir ohne Kürzung der Betriebshofmittel deshalb kürzen, weil ein hoher Anteil für Jubiläen und/oder Zuschüsse an Vereine ausgegeben wird, was eine verkappte Förderung des Kultur- und Sportbereichs der Stadt darstellt.

- Das Beschwerdemanagement muss erhalten bleiben, aber es kann behutsam gekürzt jedoch nicht in das Bürgerbüro verlagert werden.

- Auch der Zuschuss für die Städtepartnerschaft kann ermäßigt werden. Es gibt einen Städtepartnerschaftsverein, der extra gegründet wurde, um auch Arbeit zu übernehmen. Ich bin froh, dass inzwischen auch die SPD einen ähnlichen Antrag stellt. Wir hoffen nun, dass sich die SPD auch im Städtepartnerschaftsverein einbringen und dort mitarbeiten wird.

Das Bürgerforum hat beantragt, die Medienausleihe zu schließen. Das wäre eine Schließung der Stadtbibliothek.

Dem können wir nicht zustimmen. Hier gibt es 53.000 Ausleihungen pro Jahr.

Dies ist eine Bildungseinrichtung der Stadt. Sie wissen ja: Lesen schadet der Dummheit.

Die genannten Einsparpotentiale wie Verkauf oder Übertragung der Bürgerhäuser, der Kristall-Therme oder der Kapellen ist ein Prozess, der über viele Jahre laufen wird und auch über die nächste Ratswahl im Jahr 2016 hinausreichen kann. Er ist langfristig angelegt, weil eine kurzfristige Veräußerung nicht überall möglich ist.

Andere Maßnahmen haben bereits einen schnellen Einspareffekt.

Der Prozess wird aufzeigen, dass wir uns von bisher lieb gewordenen Selbstverständlichkeiten verabschieden müssen.

Wir müssen umdenken, die Stadt oder der Staat ist kein Selbstbedienungsladen. Als Politiker müssen wir so handeln, wie wir beim Schuldenmachen auch für uns selbst handeln würden, also bei jeder Ausgabe prüfen, ob diese notwendig ist oder nicht und zurückgezahlt werden kann.

Allein mit Erhöhungen von Steuern geht es auch nicht, wenn überhaupt, dann nur mit moderaten. Dabei ist zu bedenken, dass wir damit die Kaufkraft unserer Bürger schwächen, was nicht gerade dem Einzelhandel unserer Stadt dient. Auch deswegen werden wir der Erhöhung der Kindergartengebühr um pauschal 10 % nicht zustimmen. Hier muss erst eine neue Struktur der Gebühren gefunden werden, das aber weiß auch die Stadtverwaltung. Sie arbeitet seit Monaten daran. Wir hoffen auf ein baldiges Ergebnis.

Ein Problem ist die Zahlung von Mehrwertsteuer auf unechte Zuwendungen an Vereine. Es kann eigentlich nicht sein, dass die Kommunen hier das Land finanzieren. Aber – die Verwaltung muss auch mit den Vereinen sprechen und aus den Unechten Zuwendungen Echte Zuwendungen für die Zukunft schaffen, die nicht mehrwertsteuerpflichtig sind. Für die Vergangenheit wird die Stadt wohl einen Betrag von 100,000,00 EUR in den Haushalt einstellen müssen, weil Vereine plötzlich nicht schlechter gestellt werden können.

Bitte gehen Sie daher in sich, meine Damen und Herren aus dem Rat. Denken sie einmal nicht an Wahlen, also nicht an die Europa-Wahl in 2014, denn die hat mit unseren kommunalen Problemen sicher sehr wenig zu tun. Denken Sie, Herr Bürgermeister einmal nicht an die Bürgermeisterwahl im Jahr 2015, auch wenn wir nicht wissen, ob Sie dann wieder antreten. Machen auch Sie den Bürgern klar, dass kein Geld da ist, um Wohltätigkeiten zu finanzieren. Ein klares Wort zu unserer schlechten Haushaltslage und damit verbundene Einsparungen kommt bei den Bürgern nämlich besser an, als ein ewiges Herumwurschteln.

Wir wollen nicht, dass eines Tages der Haushalt nicht mehr genehmigt wird und vielleicht der Sparkommissar des Landes kommt, denn dann, das kann ich Ihnen voraussagen, kommt es viel viel dicker.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit

Knut Werner

28.11.2013